Welche Markenfarbe hat Nürnberg? Der Marken-Stilbruch des Nürnberger Tourismus
Geschrieben von Nicolas Kubanek
05. September 2012 – Kreative Veränderung einer Marke ist wichtiger als die konsistente Kommunikation der Werte? Welche Gefahren das mit sich bringt, zeigen wir am Beispiel der Tourismus-Zentrale Nürnberg
Als Nürnberger mit langjähriger Beziehung zum Tourismus durfte bei meinem Besuch der Internationalen Tourismusbörse in Berlin der Stand der » Congress- und Tourismus-Zentrale Nürnberg natürlich nicht fehlen. Intuitiv suchte ich die Stände der bayerischen Destinationen und Verbände nach dem typischen Rot der „Marke Nürnberg“ ab – und fand mich irritiert am Eingang der Halle wieder, ohne den Stand gefunden zu haben.
Während meiner zweiten Runde entdeckte ich endlich ein paar bekannte Gesichter des Nürnberger Tourismus, die mich aufklärten: Das Nürnberger Rot sei zu abgegriffen, deshalb sei ein neuer, frischerer Auftritt in Auftrag gegeben worden. Im Zuge einer Umstrukturierung des Marketings folgte eine Agenturausschreibung – und eine neue Markenfarbe war letztendlich das Ergebnis: Blau.
Die Markenfarbe hat eine identitätsstiftende Funktion
Aus markenstilistischer Sicht ist dieser Wechsel der Farbe ein großer Fehler. Die Farbe Rot war nicht nur seit langem das Markenstilelement des Nürnberger Tourismus, sondern ist auch tief in der Tradition Frankens sowie der Stadt Nürnberg verankert. Der Farbwechsel zerstört also die Identifikations- und Orientierungsfunktion für Beteiligte und Vertreter der Marke, aber auch für Fans unter den Einwohnern. Zudem kappt er die einheitliche Anbindung an das gemeinsame fränkische Erscheinungsbild.
Nicht zuletzt ist die Farbe Blau fest in bayerischer Tourismushand, deshalb verliert der Nürnberger Tourismus ein weiteres Differenzierungskriterium zu seinem bayerischen Dach. Sie führt dazu, dass der Tourist die Marke Nürnberg auf der obersten Wahrnehmungsebene nicht mehr als charakteristisch eigenständige Einheit wahrnimmt, sondern als Element der Marke Bayern.
Welche Bedeutung hat der Markenstil?
Diese Aufgabe hat die Markenstilistik: Sie bringt die Spitzenleistungen einer Marke, die sich zu Werten verdichtet haben, zum Ausdruck. Sie verkörpert die Markenkernwerte und legt den Auftritt der Marke nach außen fest.
Um das Erscheinungsbild unverkennbar zu gestalten, müssen drei Kriterien erfüllt sein:
- Die Markenstilelemente müssen einer Marke eindeutig zuordenbar sein.
- Sie müssen ohne Brüche selbstähnlich weiterentwickelt werden.
- Sie müssen an möglichst vielen Markenkontaktpunkten angewendet werden.
Versagen die Verantwortlichen in diesen Punkten, gehen die in den Köpfen der Kunden vorhandenen Assoziationen verloren – und damit auch die vertrauensbildende Kraft eines Markenstils.
Auf den ersten Blick mag es für einen Besucher Nürnbergs relativ egal sein, mit welcher Farbe sich eine Tourismusorganisation präsentiert. Doch sowohl für die innere Sichtweise einer Marke als auch für die externe Betrachtung kann ein Markenstilbruch langfristige Folgen haben.
Eine Marke ist gefährdet, wenn sie mit Oberflächenmarketing verwechselt wird
Aufgabe des Markenstils ist unter anderem die Funktion, die über Jahrzehnte aufgebauten Leistungen und Markenwerte auf der obersten Wahrnehmungsebene zu vermitteln. Die Tatsache, dass hier eine Agentur gebeten wurde, den Markenstil aus rein kreativen Gründen heraus neu zu gestalten, zeugt von wenig Verständnis für die Bedeutung einer Marke.
Eine solche Entscheidung kostet nicht nur Geld. Sie zerstört den langjährigen und erfolgreichen Aufbau einer Marke. Sie führt zum Bruch mit der Selbstähnlichkeit und Wiedererkennbarkeit des über Jahrzehnte verankerten Markenstils.
Eine Markenfarbe ist ein bedeutendes Stilelement, sie darf nicht Gegenstand kreativer Spielereien sein und alle paar Jahre einer Neuausrichtung zum Opfer fallen. Somit verliert die touristische Marke Nürnberg nicht nur ein Stück fränkisch traditionelle Strahlkraft, sondern verschwimmt auch im blauen Meer der bayerisch-touristischen Markenwelt.
Für Nürnberg bringt die Farbe Blau sicher keine Tourismuskrise, aber sie führt zu einer eingeschränkten Orientierungsfunktion für Stammgäste und zerstört den wichtigen Bezug zu den fränkischen und Nürnberger Wurzeln.